Jeder trägt sie auf dem Smartphone mit sich herum: Die schwarzen Löcher der produktiven Zeit. Die Rede ist aber nicht von einem neuen astronomischen Phänomen, sondern von Apps, die eigentlich unser Leben erleichtern sollten.

Instagram, Snapchat, Facebook, Twitter und vielleicht sogar TikTok. Du wirst in deinem Umfeld kaum noch Menschen finden, die nicht mindestens einem solchen "sozialen Netzwerk" angehören. Dieser Post handelt davon, warum diese Apps oft vieles komplizierter machen, anstatt uns im Alltag zu helfen.

Verzerrte Wahrnehmung durch gestellte Posts

Was als "way to connect with your friends and family" anfing, ist heutzutage nur noch eine Plattform für Werbetreibende und unmoderierte Kommentarfunktionen. Längst ist der Gedanke der Kommunikation im Sinne der Freundschaft in den Hintergrund gerückt. Vielmehr ist Social Media eine Zweckmäßigkeit sich zu Presenten und Produkte an den Mann zu bringen. Dabei wird eine Kunstfigur erschaffen, die nur noch in der Oberfläche an die reale Person angelehnt ist. Das Wirken dieser Figur kann beliebig an gesellschaftliche Standards angepasst werden. Da diese Figur nicht real ist, kann sie auch komplett andere Wertevorstellungen vermitteln als die eigentliche Person, die vermeintlich wiedergespiegelt wird. Diese verzerrte Darstellung kann zu einem Kräfteungleichgewicht in der Realitätswahrnehmung führen.

Kurzum: Das Dargestellte wird als wahr angenommen, auch wenn eine innere Stimme Sturm läuft, weil sie weiß, dass alles nur gestellt ist.

Was nun passiert, ist alles andere als steuerbar. Es würde ausreichen, mit nur einem dieser "Schauspieler" ab und an in der Timeline den Weg zu kreuzen. Doch in Realität ist er Teil einer Armada von wirklichkeitsentfernten Profilen, die sich permanent einen Weg auf den Display bahnen. Schon bald gibt es nur noch eine Hand voll Profile, die tatsächlich noch authentisch sind. In einer Flut an attention-seeking Posts wird es bald sehr schwierig, noch zu differenzieren, wer das darstellt, was ihn wirklich ausmacht. Ein Unmut macht sich breit, denn es findet sich nichts mehr von dem ursprünglichen Zauber des sozialen Netzwerks. Im Gegenteil: Monoton wiederholt sich im Feed, wie fiktive Perfektion die Kreativität immer weiter verdrängt.

Social Media ist dazu designt, süchtig zu machen

Um sich kritisch mit Social Media zu befassen, muss man überhaupt wissen, wie eine solche App funktioniert. Oberflächlich betrachtet können Beiträge erstellt werden, sei es nur Text, Fotos, oder Videos. Diese sind entweder öffentlich oder nur für bestimmte Accounts sichtbar. Andere Nutzer können mit diesen Beiträgen interagieren, wobei der Autor des Posts daraufhin Feedback erhält. Im Klartext geschieht das meist in der Form von Likes und Kommentaren. Der Autor wird durch Benachrichtigungen über diese Interaktionen informiert.

Warum aber fühlt es sich gut an, dass ein Beitrag geliked wird? Denn im Grunde genommen handelt es sich bei einem Like nur um eine Benachrichtigung durch eine App. Eine Benachrichtigung über eine Abbuchung von deinem Konto wird sicherlich nicht die selben Gefühle hervorrufen, wie ein Like auf Instagram. Also wo liegt der wesentliche Unterschied?

Um diesen Zusammenhang zu erklären hilft ein einfaches Beispiel aus der realen Welt: Bei einem Hund löst das Fressen Zufriedenheit aus (durch die Freisetzung vom Neurotransmitter Dopamin im Gehirn). Für den Hund haben Kommandos wie "Sitz" und "Platz" aber keinerlei Bedeutung. Um einen Hund auf diese Kommandos zu konditionieren, verbindet man ein bedeutungsloses Kommando (Sitz/Platz) mit einer Belohnung (Fressen), die Dopamin ausschüttet. Der Hund möchte Dopamin freisetzen um sich gut zu fühlen, deshalb wiederholt er das Verhalten, das zuletzt zum Fressen geführt hat. Das Gehirn des Hundes bildet eine Verknüpfung zwischen den Kommandos und dem Fressen.

Konditioniert um zu Liken

Um das ganze auf Social Media zu übertragen: Ein Like auf Social Media zu erhalten löst bei uns Glücksgefühle aus, denn damit assoziiert ist die Selbstbestätigung durch andere, die auch im Alltag angestrebt wird. Die Likes haben einen Lerneffekt auf uns: Da das Ziel die Selbstbestätigung ist und der Weg dorthin ein Post auf Social Media, wird die Wahrscheinlichkeit höher, wieder auf Social Media zu posten, vor allem wenn ein früherer Post zu Likes geführt hat. Social Media wäre deutlich weniger anziehend, wenn der Reiz der Likes verloren wäre. Doch da gibt es noch eine Komponente.

Das Scrollen durch den Feed ist vergleichbar mit der Funktionsweise eines Spielautomaten. Jedes mal wenn du im Feed nach unten scrollst, drückst du im übertragenen Sinne den Hebel des Spielautomaten. Jederzeit könnte der nächste Post potentiell witzig oder interessant für dich sein, es kann aber auch eine Niete herauskommen, in Form eines belanglosen Posts.

Sobald du einen interessanten Post siehst, wirst du für das Scrollen belohnt, es wird Dopamin ausgeschüttet. In diesem Moment wurdest du darauf konditioniert, weiter im Feed zu Scrollen um den nächsten Dopaminkick zu erhalten. Dabei ist dir vorher nicht klar, wann die nächste Belohnung kommt, oder ob sie heute überhaupt noch kommt. Nur alleine die Möglichkeit, diesen Hauptgewinn zu ziehen, ist Antrieb genug, weiter im Feed zu scrollen.

Dieses Problem lässt sich ganz einfach umgehen, indem man möglichst wenige Seiten oder Profile liked, dadurch ist der Feed absolut überschaubar.

Schwieriger wird es sich dem ganzen zu Entziehen, wenn man zum Beispiel die Explore-Page auf Instagram, oder Trending Hashtags auf Twitter nutzt. Die Funktion ist ein und dieselbe: Durch eine endlose Masse an Posts ist es unmöglich, alles gesehen zu haben. Um zurück auf den Spielautomaten zu kommen: Sobald das Geld aufgebraucht ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, am Hebel zu ziehen. Doch das ist bei Social Media nicht der Fall: Durch zigtausende Posts, die jede Sekunde hochgeladen werden, wirst du nie an das Ende des Feeds kommen. So können Stunden damit verbracht werden, die neuesten Trends zu entdecken. Sobald man aber zum echten Leben zurückkehrt, sind diese ganzen "Goodies", die dir Social Media gerade noch gegeben hat, wertlos. Letzten Endes fühlt man sich schlecht dabei, weil wieder nur prokrastiniert wurde, anstatt sich seinen realen Aufgaben zu widmen.

Social Media bedient sich dem wertvollstem Gut des 21. Jahrhunderts: Deiner Daten

Wozu der ganze Aufwand, diese Plattformen zu betreiben? Eine Anwendung zu entwickeln, samt Serverinfrastruktur, um sie Milliarden von Konsumenten kostenlos zur Verfügung stellen, hört sich zuerst nicht gerade wirtschaftlich an. Doch natürlich denken auch Facebook und Co. an ihr eigenes Wohlergehen.

Zeigt man dieser unvorstellbar großen Menge an Nutzern immer wieder Werbeeinblendungen, lässt sich damit eine Menge Geld verdienen. Das mag vielleicht pro Anzeige nicht gerade viel sein, aber mit den gigantischen Nutzerzahlen mancher sozialen Netzwerke werden Milliarden in die Kassen der Betreiber gespült. Und es wird immer weiter optimiert: Anstatt irgendeine Werbung zu zeigen, wird dir gezielt Werbung gezeigt, die nahe an deinen Interessen liegt.

Das funktioniert nur mit einem ganzen Haufen gesammelter Daten über dich. Durch dein Verhalten auf der Plattform wird ein Nutzungsprofil erstellt, aus dem hervorgeht, auf welche der gezeigten Inhalte du anspringst und auf welche nicht. Diese Erkenntnisse werden genutzt, um dir auf dich maßgeschneiderte Werbung zu zeigen. Das hat für Werbende sowie soziale Netzwerke Vorteile: Werbende können bestimmten Nutzergruppen gezielt passende Werbung zeigen. Dadurch muss die Werbung deutlich weniger Menschen gezeigt werden, für den selben Effekt. Und das spart eine Menge Geld. Für die sozialen Netzwerke hat das den Vorteil, dass die Werbung als nicht so störend wahrgenommen wird, als Werbung, die überhaupt nicht zu den Interessen des Nutzers passt.

Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts

Das Sammeln von Daten durch die Internetkonzerne ist natürlich ethisch fragwürdig, denn oft genug werden ohne das Wissen der Nutzer Daten erhoben und auch Daten, die sehr privat sind und nicht in fremde Hände gehören.

In der Vergangenheit stellte sich außerdem heraus, dass Facebook sogar Daten von Nicht-Nutzern sammelt. Solche "Shadow-Profile" sind unter anderem durch Freunde und Bekannte im Netzwerk möglich, die dann Schlüsse auf die Person außerhalb ziehen lassen.

Manche gehen sogar so weit, Daten als das Öl des 21. Jahrhunderts zu bezeichnen. Diese Metapher lässt sich nur zu gut nachempfinden, wenn man bedenkt, dass Facebook im dritten Quartal 2019 über 17 Milliarden US-Dollar Umsatz nur durch Werbung erzielt hat.


Abschließend kann ich nur davon abraten, soziale Netzwerke exzessiv zu nutzen. Die Konzerne dahinter fallen immer wieder durch Fahrlässigkeiten im Umgang mit Nutzerdaten auf, gleichzeitig sind sie sehr bemüht, dich möglichst lange an ihre Apps und Seiten zu binden, um möglichst viele Werbeeinnahmen zu erzielen. Auch wenn die Angebote allesamt kostenlos sind, rauben sie vor allem eines: Deine Zeit.